o2.10.14 // 23:50 Uhr

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Dieses Interview hat natürlich nicht wirklich stattgefunden ;-)

 

 

Reporter:Hallo. Schön, dass Sie endlich Zeit für dieses Interview gefunden haben. Man hört, Sie hätten derzeit ein interessanteres Leben als üblich?

 

Laura: Das kommt darauf an, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Sicherlich klingen einige meiner Erlebnisse für Außenstehende spannender als ihr Arbeitsalltag, doch genau das ist es für mich auch geworden: Alltag. Ich habe einen geregelten Tagesablauf, von dem es selten Abweichungen gibt.

 

Reporter: Wollen Sie damit andeuten, Sie langweilen sich? Bereuen Sie Ihre Entscheidung etwa, ein Auslandsjahr angetreten zu haben?

 

Laura: Aber nein, absolut nicht. Natürlich gibt es einige Momente, in denen Langeweile aufkommt, beispielsweise wenn ich im Projekt wenig Arbeit für mich finde. Nichtsdestotrotz unterscheidet sich Bolivien in so vielen Dingen so wesentlich von meiner Heimat, dass sich allein durch die Entdeckung dieser Differenzen das Jahr bereits bezahlt macht.

 

Reporter: Können Sie Beispiele für diese Unterschiede nennen?

 

Laura: Ganz simple Dinge, die auf den ersten Blick ins Auge stechen: Das Wetter und der Verkehr. Ich kam ja im Winter hier an, und trotzdem hatte es knapp dreißig Grad. Der Sommer ist noch schlimmer und Regen bringt keine Erleichterung. Stattdessen legen sich die Wolken wie eine Haube über das Land und heizen noch mehr ein.

Autos sind zu beinahe 100% Toyotas, sehen alle aus, als würden sie seit Jahren in Deutschland nicht mehr durch den TÜV kommen und angeschnallt wird sich prinzipiell nicht. Zudem besteht ein Großteil des Verkehrs aus Taxis und Micros und obwohl man zur Rushhour kaum vom Fleck kommt, wird selbst für die kürzste Strecke das Auto genommen.

 

Reporter: Aber es gibt auch Dinge, die Sie mehr stören als das?

 

Laura: Oh ja. Da wäre einmal das nicht vorhandene Umweltbewusstsein. Mülltrennung ist ein Fremdwort, Folien und Verpackungen gibt es im Überfluss. Und das Schlimmste: Sogar die Erwachsenen schmeißen alle ihren Müll einfach aus dem Fenster oder auf den Boden, ob nun auf der Straße oder im Urwald.

Zweitens ist der Umgang mit Tieren gewöhnungsbedürftig. Nein, das ist der falsche Ausdruck - verbesserungsbedürftig, denn gewöhnte ich mich daran, hieße das ja, ich würde es akzeptieren und dem ist nicht so. Dass ein Junge einfach an der Tanke aus dem Micro steigt mit dem einzigen Grund, Steine auf einen harmlosen Hund zu werfen, der einige Meter weiter im Schatten schläft, ist nicht akzeptabel. Umso weniger ist es aber, dass alle Lehrer im Micro zugucken und keiner was sagt.

Das dritte große Problem ist die Bildung. Es mag sein, dass es in der Innenstadt gute Schulen gibt und auch Callecruz ist besser, als nicht zur Schule zu gehen. Doch als Lerntechnicken müssen schon die Kindergartenkinder ein Lehrbuch durcharbeiten, in dem sie Buchstaben und Zahlen lernen - im Alter von 4 Jahren. Schreiben wird dadurch gelernt, dass das Kind Texte aus einem Buch kopiert, die es absolut nicht verstehen kann, da es eben nicht lesen kann, was es schreibt. Was fehlt, ist das Eingehen auf jedes einzelne Kind, und sei es nur minimal.

 

Reporter: Das scheint Sie wirklich aufzuregen. Ist aber auch verständlich, finde ich. Erzählen Sie uns stattdessen doch mal von den guten Dingen an Ihrem Projekt.

 

Laura: Die Kinder sind fast alle wirklich lieb. Einige haben schnell Vertrauen gefasst und wollen dauernd gedrückt und geherzt werden. Das Projekt gibt mir auch die Chance, meine Fähigkeiten als Lehrer zu testen, an den Kindern, die den Unterricht aus irgendwelchen Gründen nicht besuchen können. Das ist spannend, zumal ich langsam an erste Grenzen stoße und mir im Internet Wissen aneignen muss. Außerdem sind auch die Lehrer wirklich nett und mal abgesehen von nervigem Krabbelviehzeug, den Matratzen und dem grundsätzlichen Fehlen von Klopapier sind die ganze Einrichtung und das riesige Gelände superschön.

 

Reporter: Haben Sie in den letzten Tagen etwas Besonderes erlebt im Projekt?

 

Laura: Das habe ich tatsächlich: Den Montag habe ich grossteils damit verbracht, mit den Projektkindern und Profe Nelly drei Stunden lang durch den Urwald zu stapfen, mit dem einzigen Sinn, einen Eimer voll Blumenerde zu finden, da am Mittwoch der "Dia de Plantas" oder so ist. Irgendwie war es spannend und ich hatte auch gehofft, ein paar Tiere zu sehen, doch ausser der toten Huelle einer Tarantel und einer lebenden Spinne, die noch groesser war, ist mir nichts begegnet. Und das, obwohl mir berichtet wurde, es gaebe dort Affen. :( Immerhin haben wir die Blumenerde gefunden und die Kids hatten einen riesigen Spaß dabei, anstelle der Affen durch die Bäume zu tollen.

Außerdem ist seit Montag die Langzeitvoluntärin Maria aus der Schweiz wieder da. Sie ist, soweit ich weiß, 64, eine fröhliche kleine Frau mit schneeweißen Haaren. Die Kinder haben sie sehr gern und auch ich freue mich, ausführlich mit jemandem diskutieren zu können, wie man welche Dinge in der Republica verbessern könnte. Maria hat noch große Pläne für diesen Ort, von einer Milchwirtschaft über eine Hühnerzucht bis hin zu einer Ausbildungsstätte für junge Erwachsene mit Wohnheim.
Dienstag und Mittwoch verliefen äußerst unspektakulär. Der Höhepunkt am Donnerstag war eine Fledermaus, die ich im Gras gefunden habe und die nur noch krabbeln konnte. Zenon und einer der Jungs wollten sie schon töten, als sie es doch geschafft hat, ein Stück weit wegzufliegen - zum Glück. Außerdem war ein neuer Junge da, von dem ich nicht weiß, ob er bleiben wird oder sich alles nur mal angesehen hat. Ich hoffe ehrlich gesagt, dass letzteres der Fall ist, denn der Junge hat sich jeder Anweisung widersetzt, meinen Unterricht mit Kevin gestört und dauernd versucht, mein Handy zu klauen. Ich fürchte, er würde viel Unruhe bringen.

 

Reporter: Dann hoffen wir mal, dass er einen Ort findet, an den er besser passt. Wie verliefen Ihre Nachmittage?


Laura: Meine Mutter hat das Brotbackfieber gepackt. Am Montag haben wir erstmals ausprobiert, welches zu backen, was auch wirklich gut wurde. Die Dienstagsladung wurde nicht so lecker, aber die heutige hat phantastisch geschmeckt, nach Emanada-Art mit Käse drin und drauf. 

Ich würde gerne Brezen backen, womit meine Mutter auch einverstanden ist, doch es scheitert an der Natronlauge. Als ich erzählt habe, was ich dafür brauche, hatten beide Elternteile erst mal die Angst, ich wolle sie vergiften. Nachdem ich irgendwie versucht habe, die chemische Reaktion auf Spanisch zu erklären, haben sie aber beschlossen, sie suchen das NaOH in der Apotheke. Bis heute war aber noch niemand dort.

Stattdessen war jemand bei mir und das kam so: Durch meinen Brezenbackplan habe ich auf Chefkoch.de nachgefragt, wo ich meine Zutaten hier herbekommen könnte und habe prompt eine Antwort von einer Deutschen erhalten, die jetzt seit zwei Jahren in Santa Cruz lebt. Nachdem wir ein bisschen geschrieben haben, hat sie mich mit ihrem Mann und ihrem ältesten Sohn am Mittwoch im Laden besucht. Der Sohn war vor vier Jahren mit AFS hier in Santa Cruz und als die Eltern ihn aus Bayern besuchten, gefiel es ihnen so gut, dass sie nach Porongo zogen. Alle drei sind supernett und haben mich sogar zu sich eingeladen.

 

Reporter: Unglaublich, was für Kontakte man auf der anderen Erdhalbkugel macht. Nun aber eine andere Frage: Tanzen Sie noch?


Laura: Aber natürlich, jeden Tag. Obwohl ich am Montag nicht hingegangen bin, da unser Brot so lange gebraucht hat und ich neugierig darauf war. Aber am Dienstag haben wir erfahren, dass wir im Dezember sogar einen Auftritt im Paartanz haben werden. Dafür üben wir jetzt eine Choreografie in vier Stilen ein: Salsa, Bachata, Chachacha und Merengue, so richtig mit Figuren, wo man den Rücken nach hinten durchbiegt und die Beine in die Luft streckt. Das macht unglaublich Spaß.

 

Reporter: Das klingt auch danach! Eine letzte Frage habe ich noch: Was macht das Spanisch?


Laura: Das wird tatsächlich besser. Ich kann mich mit den meisten Erwachsenen inzwischen unterhalten und es fällt mir zunehmend schwer, auf Englisch umzuschalten, weil ich es eben auch auf Spanisch sagen könnte. Natürlich fehlen massenhaft Vokabeln, aber ich lerne (fast) jeden Tag ein paar neue Wörter, es wird also täglich ein winziges Stück besser.

 

Reporter: Das freut mich. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben und noch ein schönes Wochenende!

 

 

 

o5.10.14 // 22:30 Uhr

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Ja is' scho wieda Sonntag! Der Freitag war einfach unglaublich heiß, an die 36°C und drückend schwül. Ich habe ein bisschen gekocht, ein bisschen am Kiosk verkauft und mich ein bisschen mit dem Neuen, Alex, anzufreunden versucht, der jetzt tatsächlich im Projekt bleibt. Tatsächlich hat er nach einigem Gemaule auf meine freundliche Bitte reagiert, ob er Lust hat, mir beim Kartoffeln schälen zu helfen und hat mit mir zusammen gekocht. Bis zum Mittag war er friedlich und ich dachte schon, ich hätte mich in ihm getäuscht, als er eine riesige Messerschneide aus der Küche geklaut hat und von außen an die Küchenfenster gekommen ist, um mich zu provozieren, indem er Löcher in die Fliegengitter bohrt. Ich war machtlos und da er wirklich etwas kaputt gemacht hat mit seinem Handeln, konnte ich es trotzdem nicht ignorieren - eine grässliche Situation. Nachdem er eine Weile mit dem Messer auf Brandon losgegangen ist (wobei ich gehofft habe, er weiß sicher, dass er danebenhaut), hat er es mir sogar zurückgegeben. Während dessen hat Brandon den Hund, der an der Mauer geschlafen hat, mit einem Stein geärgert und ihm diesen ins Auge gebohrt. Wäre die Mauer nicht zwischen mir und ihm gewesen, hätte ich ihm vermutlich wehgetan, so wütend war ich, besonders, weil er nicht aufgehört hat.

Für die letzte Stunde, die ich im Projekt blieb, hatte ich genug von den Kindern und verbrachte sie lesend und Vokabeln lernend in der Küche.

Am Nachmittag machten wir die Fressiers für das Event am Abend fertig, brachten sie nach Urubo und danach ging ich tanzen. Leider hab ich diesmal keinen guten Partner erwischt.

 

Nach einem kurzen Frühstück ging ich am Samstag ins Confetti, um danach mit Camila und Mama auf die Feria Barrio Lindo zu fahren, wo sie Plastiktütchen fürs Geschäft gesucht hat. Gar nicht so einfach, die richtige Verkäuferin zu finden zwischen Möbelecken, Kleidung, Spielzeug, Schmuck, Handys, Wanduhren (wo wir auch eine gekauft haben) und tausend Sachen mehr. Auf dem Heimweg fuhren wir an einer Reihe grässlicher Geschäfte vorbei, die Kleintiere und dazu winzige Käfige verkauften - und hielten zu meinem Entsetzen da auch noch an! Mit der Begründung, wir kaufen jetzt einen Vogel.

Meine Alarmglocken schrillten, als ich hinter den beiden hereilte, die schon vor ekelhaft kleinen Käfigen standen und diskutierten. Ich redete auf sie ein, das sei Tierquälerei und ein Vogel bräuchte Platz - bis meine Mutter mich endlich erlöste und mir erklärte, der Käfig sei für eine Pflanze, sie wolle ihn gold anstreichen und zur Zierde verwenden. Da war meine Welt erst mal wieder in Ordnung.

Am Nachmittag wollte ich ja eigentlich auf der Feria (der gleichen wie vormittags) mit Max Klamottenshoppen gehen, doch der hat mich kurzerhand versetzt, sodass ich einfach im Confetti geblieben bin, bis Mutter und Schwester wieder einmal ein "Vamos" ertönen ließen. Fast schon aus Gewohnheit reagierte ich, indem ich ins Auto sprang und schweigend beobachtete, wohin die Fahrt wohl ging. Wir hielten vor einem Klamottengeschäft, wo es hauptsächlich Zara mit Dollarpreisen gab. Camila lernte jedes Kleidungsstück auswendig, während ich das Sortiment nach fünf Minuten durch hatte, sodass sie mich gerade noch pünktlich bei Spanisch ablieferten, das zum Glück ganz in der Nähe war.

Nach dem Unterricht brachte mich Monikas Vater nach Hause und lieferte dabei noch eine Art Sightseeing, da er zu jeder Straßenecke und jedem Gebäude eine Geschichte wusste. Außerdem machte er mir ein Kompliment dazu, wie authentisch mein Spanisch klingen würde und konnte gar nicht glauben, dass ich davor kaum ein Wort konnte...Balsam für meine Seele, da ich in dieser Richtung bisher noch gar nichts vernommen habe.

Zum Abendessen wurde Pizza bestellt, zwei Stück für fünf Leute. Während dem Essen prahlte Leo damit, dass er bei seinem Kumpel in Urubo letzte Woche eine halbe Pizza allein gegessen hätte - ich verschwieg geflissentlich, dass es in Deutschland durchaus normal ist, die ganze Pizza selbst zu essen.

 

Der Sonntag zog mit ganz ganz ganz viel Faulenzen ins Land. Nach einem übriggebliebenen Stück Pizza zum Frühstück verbrachte ich den Tag damit, abwechselnd Serien zu gucken, in meinem Spanischprogramm weiterzulernen, Musik zu hören, zu Schlafen und selbiges setzte ich nach dem Mittagessen im Standard-Steakhouse fort, wo ich zu Papas Entsetzen gar kein Fleisch gegessen habe, sondern "nur" einen Megateller Salat von der bunten Salatbar, Pommes und Yukka. Abends fuhren wir erneut zu diesem Zara-Laden, wo wir gestern schon waren, blieben aber zu meiner Erleichterung nur etwa fünf Minuten. Dann war noch der Besuch bei den Großeltern dran, wo ich wieder mit dem schielenden Kater Martín geschmust habe und wo es heute selbstgemachten Erdbeersaft und Kekse statt dem üblichen Kuchen und Kaffee gab. Wieder zuhause bin ich realtiv schnell ins Bett gegangen.

Übrigens habe ich bereits jetzt schon wieder den Ruf, ich würde nicht gern weggehen. Nun gut, das abzustreiten wäre auch irgendwie gelogen... aber würde Camila mich mal wieder fragen, würde ich auch gern mitgehen, allein schon, um neue Leute kennen zu lernen! Ist also nicht bloß meine Schuld.

 

Ach, eins noch: Eva (Richter, die Nachbarin^^): Erst mal Danke für deinen lieben Gästebucheintrag, freut mich, dass du ab und an mitliest! :) Ich hoffe, du liest das hier jetzt auch, denn ich hab eine Bitte. Kannst du mir vielleicht eins oder alle der Theaterstücke schicken, die du mit deinen Kids aufgeführt hast? Ich würde gerne sowas mit den Jungs machen und suche nach einer Vorlage, die ich übersetzen kann und dein Konzept gefällt mir.