o2.o9.14 // 15:29 Uhr

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Wie die Ueberschrift schon verlauten laesst, bin ich seit gestern Lehrerin. Ja, so schnell ging das mit dem Studium! ;-)

Bisher habe ich einen Schueler, Brandon, er ist etwa 8 Jahre alt und seit weniger als einem halben Jahr in Callecruz. Die Schule besucht er (noch?) nicht, weil er in dieser Hinsicht etwas schwierig ist: Er hat keine Lust auf lernen. Mit Extrabehandlung geht es aber momenan sehr gut! Ich habe beobachtet, wie er draussen im Hof herumstromerte und offensichtlich nicht wusste, was er tun sollte. Nach einer Weile bin ich zu ihm gegangen und habe ihn gefragt, ob er vielleicht was lernen will. Vor lauter Langeweile hat er sofort "Ja" gesagt, weshalb ich mir einen "Unterricht" aus den Fingern gesaugt habe. Wir haben erst Matheaufgaben geloest und dann einige Woerter geschrieben. Am Nachmittag habe ich mich dann zuhause hingesetzt und Arbeitsblaetter fuer ihn erstellt, so richtig mit Plus- und Minusrechnen, Alphabet und so. Da er seine Finger beim Rechnen immer fast abbricht und trotzdem durcheinanderkommt, habe ich ihm ausserdem gezeigt, wie er Flaschendeckel zur Hilfe nehmen kann.

Und siehe da, nachdem er mich heute begeistert mit (etwa) den Worten begruesst hat: "Machen wir heute wieder Unterricht?", sich ueber die Buntstifte gefreut hat, die ich mitgebracht habe und brav jedes Arbeitsblatt erledigt hat (wenn auch mit gelegentlichen Pausen, waehrend denen ich zum Beispiel beim Brotteig verdreschen geholfen habe - wir haben gebacken. Fuer so viele Leute ist das Kneten sau anstrengend!), konnte er es kaum erwarten, nach der Pause weiterzumachen. Ich zitiere: "Wo ist meine Profesora?"

Hugo und Enrique moechten mir jetzt einen zweiten Schueler geben, den leicht geistig Behinderten, von dem ich schon erzaehlt habe. Sein Name klingt in etwa so, als wuerde man ihn "Yijo" schreiben, aber sicher bin ich mir nicht. Plaene fuer den naechsten Unterricht habe ich aber noch nicht gemacht, da wir AFSler morgen Frueh zum Blutabnehmen fahren muessen und daher nicht ins Projekt gehen.

 

Heute kam ausserdem meine aeltere Schwester wieder aus Chile nach Hause und ist bis Oktober erst mal hier. Auf dem Weg vom Flughafen heim musste Leo im Kofferraum sitzen, weil wir auf der Rueckbank leider schon vier Leute waren... ;-)

Das war so weit alles, was in den letzten zwei Tagen passiert ist. Allerdings moechte ich noch erwaehnen, dass ich noch nie in meinem Leben so staendig staubig und schmutzig war wie hier. Selbst wenn ich mir dreimal taeglich das Gesicht und die Arme wasche, kann ich am Abend trotzdem den Sand mit den Fingernaegeln von meiner Haut kratzen. Von meinen Haenden will ich gar nicht erst anfangen. Bei dem heftigen Wind und all dem Sand ueberall ist das aber auch kein Wunder - nur eben etwas gewoehnungsbeduerftig.

 

 

o5.o9.14 // 15:29 Uhr

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Seit meinem Durchstarten als Lehrerin war ich leider nicht mehr im Projekt - also seit drei Tagen. Stattdessen mussten wir durch die Behördenhölle von Santa Cruz tauchen, sowohl am Mittwoch, als auch am Donnerstag zwischen Blutabnahme, Interpol und hundert in irgendwelchen Hinterhöfen versteckten Minibüros hin- und herfahren, um Dokumente zu besorgen, Fingerabdrücke abzuliefern oder Fotos zu schießen.

Dass die Leute hier häufig einfach zwischendurch Kreuzzeichen machen, habe ich noch nicht erwähnt, oder? Überhaupt ist Gott hier viel präsenter, wenn ich auch nicht sagen könnte, wo die nächste Kirche steht. Stattdessen ist (zusammen mit der Musik) Gott DAS Statussymbol der Microfahrer. Sprüche wie "Dios por siempre" (Gott für immer) liest man in jedem Fahrzeug, neben allerlei weiteren Fähnchen und Verzierungen. Ich habe allerdings auch schon Sprüche gesehen wie "Aqui todo es chevere. La carra, la musica y el chaufer." - Hier ist alles spitzenmäßig. Das Auto, die Musik und der Fahrer.

Zurück zur stetigen Präsenz Gottes: Besonders im Verkehr merkt man, dass die Leute Gottvertrauen haben. Irgendwie scheint Gott aber tatsächlich präsenter zu sein als in Europa, denn anders kann selbst ich als rationale Agnostikerin mir nicht erklären, wieso hier nicht viel mehr Unfälle passieren.


Heute, am Freitag, haben die Jorges (unsere AFS-Betreuer) nichts für unser Visum unternommen, da sie meinten, Freitags gibt sich eh keiner die Mühe, was hinzubekommen. Den Eindruck hatte ich im Confetti allerdings nicht, denn nachdem ich im Projekt ja schon abgesagt und außerdem kein Unterrichtsmaterial vorbereitet hatte, schlief ich bis um Zehn und arbeitete dann bis abends im Confetti, nur unterbrochen durch die Siesta, die ich zum Spanischlernen und zum Joggen gehen genutzt habe. Jetzt bin ich wirklich fertig.

Ach, noch was: Opa & Oma, ich würde gerne mal wieder mit euch telefonieren, am besten über Skype, da mein Handy (noch) nicht wieder funktioniert. Macht ja nichts, wenn ihr keine Kamera habt. Schreibt mir mal, wann ihr Zeit hättet, zum Beispiel Sonntag, da kann ich von 4-7 Uhr eurer Zeit oder gegen 22-24 Uhr eurer Zeit, soweit ich informiert bin.

 

 

o7.o9.14 // 23:32 Uhr

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Am Samstag bin ich um zehn Uhr aufgestanden und direkt ins Confetti gegangen, da ich ja versprochen hatte, zu helfen. Nochmal für alle: ich helfe dort absolut freiwillig (meine Mutter betont auch immer wieder, dass ich nur helfen soll wenn ich wirklich will) und es macht mir Spaß.

Zuerst habe ich mit Camila gefrühstückt, frisch gepressten O-Saft und Omelette mit Schinken, Käse und Pilzen. Danach ging es bis halb drei weiter mit Kuchen fertigstellen, Pralinen verzieren, Erdbeeren schnippeln und und und. Nach einer kurzen Mittagspause (Schlaaaf) war ich nochmal dort, bevor ich mit dem Micro zum Spanischunterricht gefahren bin. Die Gastmutter einer der Deutschen (Monika) hat mich nach Hause gefahren, weil sie ganz in der Nähe wohnen. Von dort aus hat mich direkt mein Vater wieder aufgesammelt und zusammen mit Roxana, Fabiola, Teresa, Deynna und noch einer Mitarbeiterin zum für heute letzten Event kutschiert - einem ganz normalen 15. Geburtstag, der die Mutter der Feiermaus mal locker um die 7000 Dollar gekostet hat. Wir haben dafür das gesamte Essen gestellt, von Vor- und Hauptspeise über Snacks wie Minihamburger, Pizzastreifen, Pommes, Sushi und herzförmige Sandwiches bis hin zu Pralinen, Fressiers und Kuchen im Glas. Um halb Eins konnten wir endlich zusammenpacken und nach Hause fahren, aber es war eine spannende Erfahrung. 

Der Sonntag begann sehr gemütlich mit einem Müsli um elf, einer Maniküre im Schönheitssalon mit Mutter+Schwester im Anschluss und dem gemeinsamen üblichen Restaurantbesuch, wo ich wieder mal viel zu viel gegessen habe. Der Nachtisch war aber auch phantastisch - heißer Schokokuchen mit flüssigem Kern, dazu Vanilleeis garniert mit Erdbeere und Minzblättern. Als Wiedergutmachung war ich nach der Siesta wieder joggen. Abends waren wir wie immer bei den Großeltern, doch die waren nicht zuhause, also sind wir wieder heimgefahren. Da heute aus irgendeinem Grund niemand zum Abendessen gerufen hat, habe ich mir einen Apfel geschnappt und bin irgendwann ins Bett gegangen. Denn nachdem ich noch zweimal nachgefragt habe, erfuhr ich, dass ich morgen doch ins Projekt gehe, da der ältere Jorge dem jüngeren Jorge keine Informationen bezüglich unseres Visums mitgeteilt hat. Um ehrlich zu sein, finde ich es auch wesentlich besser, ins Projekt zu gehen, als stundenlang in Hinterhöfen herumzusitzen und auf Dokumente zu warten.

Übrigens, heute bin ich seit genau einem Monat Cruzeña.