o9.o9.14 // 22:16 Uhr

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Es ist viel passiert in den letzten zwei Tagen - hauptsächlich Positives. Begonnen hat es aber nicht so: Nachdem ich am Sonntagabend erfahren habe, dass wir am Montag doch nichts für unser Visum unternehmen (und auch am Dienstag und Mittwoch nicht), bin ich wie gewohnt um kurz vor Sechs aufgestanden, um pünktlich am Mikro zu sein. Mein Handy funktionierte zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht, also habe ich Zenon, dem Fahrer, nicht Bescheid gegeben. Nachdem mir das erste Mikro vor der Nase weggefahren ist und ich auf das nächste warten musste, war ich trotzdem noch pünktlich um 6:45 Uhr am Büro, doch das hat mir nichts genützt, das Mikro war weg. Also bin ich (ziemlich stinkig, hauptsächlich auf mich) wieder heimgefahren, habe noch ein bisschen auf der Couch gepennt und bin dann ins Confetti gegangen. Dort gab es ein leckeres zweites Frühstück mit der Familie, ich habe mit Roxana Kuchen gemacht und bin dann mit Papa+Schwester zu Tigo gefahren, um mein Handy endlich funktionstüchtig zu machen. Jej!

Nachmittags war ich teils im Confetti, teils mit Camila unterwegs, um verschiedene Besorgungen zu machen. Am Abend bin ich mit Luisa, Floor und ein paar anderen AFSlern in eine Tanzschule gegangen, die zufällig nur vier Blocks von mir zuhause entfernt liegt und damit für mich leicht zu Fuß erreichbar ist. Zum Glück, denn das Tanzen war unglaublich super, erst Salsa/Chachacha allein, dann Salsa/Bachata im Paartanz. Nach zwei Stunden in den glühend heißen Räumen waren wir durchgeschwitzt, aber echt glücklich. So sehr, dass wir am nächsten Tag gleich wieder für zwei Stunden Tanzen dort hin gegangen sind. Morgen nehme ich das Geld für die Anmeldung mit, denn ich habe vor, dort möglichst jeden Tag zwei Stunden zu verbringen. Bachata ist definitiv mein Favourit momentan, denn mein Tanzpartner konnte das ziemlich gut und hat mich herumgewirbelt, sodass es fast gewirkt hat, als könnte ich das auch ;-)

 

Am Dienstag habe ich dann auch mein Mikro erwischt, alle haben sich erkundigt, wo ich gewesen bin. Auch hier gab es einiges zu sehen, denn eine Deutsche mit ihrer Crew war für einen Tag da, um mit den Jüngsten Waldorfkindergarten zu spielen. Sie hatte in den Wochen zuvor einen Kurs darüber in Santa Cruz abgehalten und testete das nun an den Kids. Denen hat es definitiv gefallen, auch wenn es mir wohl zu viel Arbeit wäre, jeden Tag Tontöpfereien, Kordeldrehen, Acrylmalen, Brotbacken und Tuchspiele gleichzeitig zu beaufsichtigen und im Anschluss noch ein Theater aufzuführen.

Übrigens bin ich süchtig nach gebackenen Kochbananenscheiben, die man wie Chips futtern kann. Da klau ich mir immer welche, wenn es Sopa de Platano Verde (Grüne-Bananen-Suppe) gibt, bevor sie zermantscht werden.

 

Heute Nachmittag habe ich einen meiner Grundsätze gebrochen - wieder auf Kosten der Tiere... ich war im Zoo, und zwar mit Luisa, Floor und Hannes. Der bestand größtenteils aus ganz vielen Papageien (teils in schönen, riesigen Volieren, teils in nicht so schönen Volieren), Jaguaren (die mir echt Leid getan haben!), Schweinen (die waren zufrieden) und Affen (die auch einigermaßen). Allerdings habe ich nicht viel erwartet bei 10Bs Eintritt. Zur Erinnerung: das ist etwa ein Euro.

Trotzdem war es schön kühl im Schatten der Bäume und wenn ich mein schlechtes Gewissen verdränge, lässt es sich als schöner Ausflug betrachten, den wir darin ausklingen ließen, dass wir erst in ein Mirko in die falsche Richtung gestiegen sind (meine Schuld), dann aus dem richtigen Mirko zu früh ausgestiegen sind (Floors Schuld) und dann den Fehler gemacht haben, den restlichen Weg zu laufen (Luisas Schuld ;-) ). Trotzdem haben wir das Confetti rechtzeitig erreicht, um uns vor dem Tanzen mit Cola, Sandwiches und Pralinen zu verwöhnen. Damit wir auch ja nicht zu viele Kalorien verbrennen... ;-)

 

 

12.o9.14 // 23:29 Uhr

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Verzeiht mir, dass der Eintrag, der hier eigentlich heute kommen sollte, erst morgen verfasst wird. Es geht mir gut, aber ich bin hundemüde. Seit halb Sieben mit den Kindern gerabeitet, im Confetti geholfen, zwei Stunden getanzt und dann noch Spanisch gelernt - Ich bin fast froh, dass das mit dem Weggehen heute nicht geklappt hat.

Die Stichwörter für morgen lauten:

- Feria Barrio Lindo (fetter Klamottenmarkt)

- "Wir schlachten jetzt ´ne Kuh. Willst du zugucken?"

- Meine erste Nacht im Projekt :o

...Schlaft gut, Knutscha und bis morgen :)

 

 

14.o9.14 // 10:23 Uhr

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Oder übermorgen. Bevor ich aus dem Bett klettere und mich dem letzten Tag des Wochenendes stelle, berichte ich noch, was los war.

Am Mittwoch verbrachte ich den Vormittag im Projekt, wobei meine Schüler heute Unterricht bei einem der richtigen Lehrer hatten und ich nur etwas mitgeholfen habe. Zuvor habe ich Mario beim Gemüseernten geholfen: Ein ganzer Schubkarren voller Karotten (die Bolivianer lieben dieses Wort auf Deutsch!), Salat und Petersilie. Zwischendurch habe ich immer wieder beim Gemüse schnippeln geholfen, was vielleicht keine so gute Idee war, wenn man meine Finger anschaut. Aber das ist schon wieder fast verheilt. Trotzdem, beim nächsten Mal, wenn wir Pommes machen, passe ich besser auf! Denn hier gibt es nur die Auswahl zwischen zwei Arten von Messern: die winzig kleinen, stumpfen, die man zum Essen verwendet und riesige Fleischermesser, mit denen man alles andere schneidet. Auch das Confetti hat da kaum mehr Auswahl.

 

Am Mittwochnachmittag bin ich zusammen mit Luisa, Monika und Floor auf die Feria Barrio Lindo gefahren, einen riesigen Klamottenmarkt, der nur Mittwochs und Samstags geöffnet hat. Auf mehrere Markthallen verteilen sich Stände mit so vielen Sachen, dass man beim Gucken eigentlich total überfordert ist. Von simplen Flipflops über Unterwäsche, Spiele, Kinderkleidung, Hosen, Taschen, Shirts bis hin zu edelsten Abendkleidern gibt es hier wirklich a l l e s.
Sogar eine dieser Haremshosen (nicht die, die bis zu den Knien herunterhängen, sondern die harmlosen) habe ich gefunden, denn mir gefällt nicht nur das Muster total gut (rot-weiß-beige Schnörkel auf Dunkelblau), sondern der dünne Stoff ist ideal für die heißen Sommertage hier, wenn man nicht zerstochen werden will.

Am Abend waren wir natürlich wieder im Tanzen. Ich habe jetzt schon meinen Monatsbeitrag bezahlt: 250Bs dafür, dass ich Mo bis Fr je 2 Stunden tanze - voll in Ordnung, oder?

 

Der Donnerstag verlief vormittags wie immer: unterrichten, kochen, den Kiosk führen (Profe Cachi ist geradezu besessen davon, dass ich das immer mache!^^). Als das Micro dann ohne mich den Hof verließ, wurde mir ein bisschen mulmig zu Mute, denn bisher hatte mir niemand gezeigt, wo ich eigentlich schlafen würde. Was, wenn das ein Kakerlakenloch war? Jetzt kam ich nicht mehr heim!
Letztendlich entpuppte sich meine Unterkunft als ein nettes Zimmer mit Plastiktisch, Schrank und kleinem "Bad" und einem Bett, das mich erst mal zum Lachen gebracht hat: Es waren drei matratzenähnliche Dinger auf einem alten Metallgerüst, die so durchhingen, dass man sich nicht auf den Bauch legen konnte, ohne sich das Rückgrat zu brechen. Immerhin war es recht leise im Zimmer, da ich im ganzen Haus die Einzige war. Nelly und Rosa, die beiden Lehrerinnen, die heute da blieben (jeden Tag jemand anderes), schliefen in zwei Räumen im Haus der Jungs, das auf der anderen Seite des Fußballplatzes liegt. Nicht einmal die Spinnen, die in allen Ecken hingen, haben mich angegriffen, nur ein paar Mücken.

 

Bis zum Schlafen haben wir aber erstmal noch Kürbisse für das Abendessen ausgehöhlt. Während Gruppe 1 und 2 irgendetwas gearbeitet haben, habe ich mit Gruppe 3 (den Jüngsten) Hausaufgaben gemacht. Als ich aber gemerkt habe, dass drei von ihnen keine Ahnung von dem hatten, was sie in Mathe machen sollten, habe ich doch lieber Nelly geholt. Denn meine Erklärkünste auf Spanisch sind ja sehr begrenzt.

Vor dem Abendessen (zum Trinken gab es Wackelpudding o.O ) haben wir ein Spiel gespielt, wo immer zwei einander mit Pantominem beschreiben sollten. Es war ein ziemliches Chaos, doch verglichen mit dem, was die Jungs kurz darauf beim Vortrag über Drogen abzogen, harmlos. Während Nelly und Rosa ihren Text knallhart durchzogen, sprangen die Jungs durcheinander, prügelten sich, schrien herum und keiner hörte zu. Von dem Leitspruch "Si a la vida, No a las drogas" blieb eher das Gegenteil hängen: Jilver rannte herum und sang: "Si a las drogas, No a la vida".

Bis nach dem Abendessen hatten sich aber alle beruhigt. Es wurde erneut aufgeräumt, abgespült (mit kalten Wasser natürlich) und geputzt, bevor ich einen weiteren Raum kennen gelernt habe: Das "Fernsehzimmer", bestehend aus einem Haufen Plastikstühle, die um einen winzigen Fernseher gereiht waren. Da guckten wir nun Musikvideos von Enrique Iglesias, während alle Kinder, die einschliefen, ins Bett geschickt wurden. Gegen zehn Uhr musste dann auch der Rest gehen und ich verabschiedete mich auch.

 

Denn schon um 6:30 Uhr am nächsten Tag ging es wieder los damit, den Comedor zu putzen, inzwischen steinharte Semmeln für die Kinder mit Marmelade zu bestreichen und Kakao aus Pulver+Wasser zu kochen. Bald kam das Micro und von da an lief alles seinen geregelten Ablauf: Kochen, Kiosk, Unterricht, dann Mittagessen und schließlich ab nach Hause. Nur einen etwas merkwürdigen Moment gab es: Kurz nachdem wir den Kiosk geschlossen hatten, fragte mich Cachi ganz selbstverständlich: "Wir schlachten jetzt eine Kuh. Willst du zuschauen?" Trotz der Tatsache, dass ich bis kürzlich Vegetarierin war bin ich nicht gänzlich gegen das Schlachten. Stattdessen finde ich es lobenswert, wenn ein Tier bis zu seinem Tod ein schönes Leben hatte - und das hatte diese Kuh auf den großen Weiden hier sicherlich. Trotzdem wollte ich nicht zuschauen, auf keinen Fall. Meine Kollegen akzeptierten das, wenn auch mit dickem Grinsen.

 

Wieder zuhause hatte ich die Arbeit im Confetti schon beinahe vermisst, wie ich feststellte. Was ich aber definitiv vermisst habe, war das Tanzen und umso froher war ich, als es 7 Uhr war und ich zur Tanzschule Apasionarte aufbrach.

 

Den Samstag erläutere ich heute Abend, da ich jetzt höre, wie meine Mutter in der Küche werkelt (seit wann tut sie das denn o.O), also werde ich auch mal aufstehen.

 

 

14.o9.14 // 10:23 Uhr

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Das in-der-Küche-werkeln hatte den Sinn, Frühstück für sie selbst und ihren Gatten auf ein Tablett zu laden und wieder im Zimmer zu verschwinden. Also habe ich Milch aus der Gefriertruhe aufgetaut und Müsli gegessen, um mich dann bis zum Mittagessen wieder in mein Zimmer zu verziehen wie alle anderen auch. Camila und meine Mutter sind irgendwann wieder zum Haare&Nägel machen gefahren, doch diesmal hatte ich keine Lust darauf. Gegessen haben wir wieder im selben Restaurant wie letzte Woche, dem Lieblings-Steakhouse des Papas. Obwohl ich wirklich versucht habe, wenig zu essen und es nicht einmal Nachtisch gab, hatte ich trotzdem das Gefühl, viel zu viel gegessen zu haben. Irgendwann werde ich das doch mal auf die Reihe kriegen, oder..? Am Nachmittag habe ich fast zwei Stunden lang mit meiner Familie geskyped, bis Mama vor Müdigkeit beinahe vom Stuhl gekippt wäre. Meine Hoffnung, dass wir wie eigentlich ausgemacht gegen späten Nachmittag auf die Quinta der Großeltern zum Schwimmen fahren, schwand von Minute zu Minute mehr, bis wir um acht Uhr letztendlich nur den wöchentlichen Hausbesuch bei ihnen absolviert haben. Wann lerne ich endlich, dass ich dort keinen Kaffee mehr trinken sollte, da ich sonst abends nicht müde bin... auf dem Heimweg sind wir durch die halbe Stadt gefahren, da wir aus einem ganz bestimmten Supermarkt Spargel gebraucht haben. (Wenn die wüssten, wie frischer Spargel aussieht!). Der Supermarkt hatte eigentlich schon zu, was uns fünf Wachmänner auch mitgeteilt haben. Das hat meiner Frau Mama aber nichts ausgemacht, sie ist einfach durchmarschiert, kichernd wie ein kleines Mädchen. Wir haben uns noch auf dem Weg zurück nach draußen köstlich amüsiert.

Nach einem zweiten Einkauf in einem anderen Supermarkt gab es zuhause ganz normale belegte Semmeln zu Abend, bevor alle ins Bett gekrochen sind.

 

Ach ja, der Samstag! Um zehn Uhr bin ich aufgestanden und ins Confetti gegangen, um dort eine heiße Schokolade und ein Schokocroissant zu frühstücken. Danach habe ich den ganzen Tag dasselbe getan: Den Rand der Schokohüllen unfertiger, etwa handtellergroßer Pralinen in Schokolade tunken und anschließend in (echt leckere) Nüsse, sodass ein Krokantrand entsteht. Die wurden dann mit Dulce de leche (Karamellcreme) und einer Art Kaffee-/Kaffeelikörcreme gefüllt. Auf das Eischneehäubchen kamen noch Schokobuchstaben, ein R für die Braut und ein J für den Bräutigam.

Irgendwann musste ich los, um mit dem Micro zum Spanischunterricht hinaus zum vierten Ring zu fahren. Anschließend wartete ich etwa eine Stunde darauf, dass Camila, Mama und zwei der Angestellten mich einsammelten. Gemeinsam fuhren wir in die Festhalle, in der die Hochzeitsfeier von R und J stattfinden würde und richteten die vorher gemachten Pralinen feinsäuberlich auf den Tellern der noch nicht anwesenden Gäste an.

Und gerade als ich beschlossen hatte, heute mal auf das Abendessen zu verzichten, da ich nicht hungrig war, hielt unser Auto (inzwischen nur noch mit den Eltern, Leo und mir) vor einem Japaner und wir gingen Essen. Ich bin nicht gerade ein Experte für japanisches Essen, sondern kannte bis dahin nur das Running Sushi in Großhadern, also war ich mit der auf Japanisch gehaltenen Speisekarte mit spanischer Übersetzung heillos überfordert - trotz Bildchen. Letztendlich kam ein Teller mit Nigri-Sushi, hübsch angerichtet mit verschiedenen Fischsorten auf den Reiskissen und zwei auch mit Avocado. Deswegen wollte ich das hübsche, wie ein Blatt geformte grüne Ding auch gefahrlos essen, das auf meinem Teller lag. Sah ja schließlich aus wie die Avocado daneben! Gerade, als ich es im Mund hatte, riefen plötzlich alle "NO!" und im gleichen Moment verstand ich, wieso: Es war Wasabi! Ich hatte Glück und nicht die Schärfe, sondern nur den Geschmack abbekommen (den ich auch nicht leiden kann). Von da an schaffte ich das Essen aber ohne Beaufsichtigung, ich schwöre.

 

Und gerade fasse ich es nicht, dass ich schon anderthalb Monate hier bin. Die Zeit verrennt so schnell! Wenn wir ganz viel Glück haben, klappt das vielleicht morgen schon mit dem Visum...